Noch immer wird das Emmentalbild vieler Schweizerinnen und Schweizer von Franz Schnyders Gotthelffilmen der 1950er- und 1960er-Jahre geprägt. Viel von dem, was den Mythos Emmental ausmacht, findet man noch heute: Grüne, steile Höger und prächtige Bauernhöfe unter weit ausladenden Dächern, eine Abgeschiedenheit, die man gerade darum sucht, weil sie einem das Gefühl vermittelt, die Zeit sei stehen geblieben. Doch die heile Welt hat Risse. Das Emmental war nicht nur ein Land der reichen Bauern, es gab auch ein geschundenes Landproletariat, und obwohl das Emmental lange Zeit florierender Handelsort für Käse und Textilien war, zwangen Elend und Armut viele dazu, die Heimat zu verlassen und auszuwandern. Auch heute gibt es zwei Emmental-Seiten: Die einzigartige Landschaft, die manchmal fast magisch scheint, weil sich darin über Jahrhunderte eine archaische Lebenskraft erhalten hat – und die Realität einer Randregion, die sich dagegen wehren muss, wirtschaftlich und kulturell ins Abseits zu geraten.
Hier setzt der Dokumentarfilm «Herz im Emmental» an. Er stellt Projektion und Realität gegeneinander, in historischen Fotografien und Sequenzen aus Filmen von Franz Schnyder, vor allem aber in den Äusserungen der Emmentalerinnen und Emmentaler, die im Film ihre Geschichten erzählen. Geschichten vom Weggehen und vom Bleiben, von Arbeitskämpfen und politischem Zank, von Hardrock in Trub und der Textilindustrie in Bärau, von der Enge im Langnau der 50er-Jahre und der Weltverbundenheit im Wasen von heute – scheinbar zusammenhangslose Geschichten, die alle aber eines verbindet: ihre Verwurzelung im Emmental.
Orte des Films sind Trub und Fankhaus, Trubschachen, Trachselwald, Wasen, Eriswil und Rüegsauschachen, die Lüderenalp, das Kemmeribodenbad und der Lauf der Emme, sein eigentliches Zentrum aber ist Langnau, der Hauptort des oberen Emmentals. Der Film beginnt und endet in der Ilfishalle, der legendären Spielstätte der SCL Tigers. Die Orte des Films sind die Schauplätze der Geschichten, die darin erzählt werden, Wohn- und Arbeitsorte, Heimat und Sehnsuchtsland der Personen, die auftreten: Hans Grunder, Gründer und Präsident der Bürgerlich Demokratischen Partei (BDP); Thomas Blunier, Gründer und Gitarrist der Hardrockband Shakra; Matthias Siegenthaler, Zimmermann und erfolgreicher Schwinger, Ida Heiniger-Frauchiger, 78-jährige Tochter einer von Textilbaronen ausgebeuteten Heimarbeiterin aus Eriswil; Bruno Marazzi, Enkel eines italienischen Einwanderers aus Langnau und Erbauer des Stade de Suisse, Barbara Wüthrich, Shakra-Fan mit eben abgeschlossener Koch-Lehre und ihre Mutter Christine; Niklaus M. Lauterburg, letzter Vertreter einer Unternehmer-Familie, die in Bärau fast 200 Jahre lang eine Textilfabrik führte; der langjährige TV-Moderator Ueli und der Liedermacher Tinu Heiniger, Schreinersöhne aus Langnau, die beide nach der Schulzeit weggegangen sind; und Peter Jakob, Unternehmer aus Trubschachen und Präsident der SCL Tigers.
Bernhard Giger
Bernhard Giger
Bänz Friedli
CARAC Film AG
Fernsehen SF1
ARTE
Buch zum Film:
"Herz im Emmental, vom Leben mit einem Mythos"
von Bernhard Giger und Bänz Friedli
Limmat Verlag